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Dies ist eine Kurzfassung des Artikels Ein Fall von falsch verstandener Identität von Allen Watson , Circle of Atonement.
Diese Kurzfassung ist vom Autor genehmigt, aber nicht überprüft. Das Original sowie weitere Artikel sind beim Circle of Atonement erhältlich.
Allen Watson
Unser Problem ist unsere Identifizierung mit dem Ego
Deutsche Kurzfassung von Gregor Geißmann
Wir haben nicht nur unser wahres SELBST und die Erinnerung an unser wahres SELBST
verloren, sondern auch unsere wahre Identität durch ein Bild von uns ersetzt: das Ego. Schlimmer noch, wir haben nicht nur ein Bild von uns gemacht, sondern uns völlig
mit diesem Bild identifiziert. Es scheint einige verborgene Bereiche von uns zu geben, die nicht immer mit dem Ego übereinstimmen, aber dies gibt uns bestenfalls den
Eindruck einer irgendwie geteilten Identität, als wenn zwei Kräfte oder Persönlichkeiten miteinander in Konflikt stehen.
Unser Problem ist nicht einfach, daß wir alle ein Ego haben, sondern daß wir meinen,
wir sind das Ego. Wir identifizieren uns damit. Wenn unser Ego triumphiert, fühlen wir uns gut, wird unser Ego angegriffen, fühlen wir uns schlecht. Tut unser Ego etwas
Schlechtes, fühlen wir uns schuldig. Wir sind so sehr gewohnt, uns mit dem Ego zu identifizieren, daß wir sogar versuchen, unser Ego vom Standpunkt des Ego aus zu
überwinden. Es scheint, wir wollen unserer eigenen Beerdigung beiwohnen. Dies kann nicht funktionieren.
Viele Menschen sind der Ansicht, unser Ego ist eine dunkle Macht irgendwo in uns
selbst, wobei dieses "Selbst" das ist, was wir wirklich sind. Dieses Bild trifft aber keinesfalls den Kern. Dieses eigentliche "Selbst", von dem wir denken, daß wir es sind,
diese individuelle Unterscheidung von anderen Individuen, diese Person mit einem Namen und einem Körper, dieses "ich", das irgendwie vom "du" getrennt ist - das ist
das Ego. Das "ich", das offenbar einen eigenen Willen hat, der sich vom Willen des anderen und dem Willen Gottes unterscheidet - das ist das Ego.
Das Ego ist nicht unser "Selbst", es ist das Nichtbewußtsein unseres SELBST. Es ist
ein Phantasiegebilde, eine Illusion, die den Platz unseres SELBST eingenommen hat, als wir unser SELBST vergessen haben. Das Ego ist tatsächlich nicht mehr als ein
Vergessen unseres wahren SELBST. Es ist nur ein Glaube, ein Gedanke in unserem Geist. Es hat keinerlei Existenz aus sich selbst heraus.
Das Ego ist "nichts". Es hat nicht dieselbe Form von Existenz wie unser eigentliches
SELBST. Wir sind nicht zwei Persönlichkeiten in Konflikt, das Gute und das Böse, die Dunkelheit und das Licht. Es gibt nur ein SELBST, das andere Selbst, das Ego, hat
keinerlei Realität. Die Dunkelheit verschwindet spurlos beim kleinsten Licht. Wo sind die Traumbilder, wenn ich erwacht bin?
Falsche Lösungen
Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, mit dem Ego umzugehen, die einfach nicht
funktionieren. So gut wie jeder von uns verfängt sich irgendwann in den Fallstricken einer oder mehrerer dieser Möglichkeiten.
Unterdrückung und Verdrängung
Wenn wir hier und da mit den dunkleren Seiten unseres Egos und Denksystems
konfrontiert werden, ist die erste Reaktion oftmals "Ich nicht!". Wenn wir erfahren, daß unser Denken und Handeln Ego-bestimmt ist, daß unsere Liebe zu unserem Partner auf
Haß gründet, daß unsere Abneigung gegen eine andere Person in uns selbst - im Ego - begründet ist, glauben wir, daß wir nicht gemeint sind. Wir nicht. Unsere Agression
liegt an den Umständen, an der anderen Person, die uns verletzt hat, denn wir sind "gut". Die andere Person hat sich falsch verhalten, so daß ich mich ärgere, aber ich bin
ein liebender Mensch. Der andere ist schlecht, ich nicht. Selbst wenn uns das Verhalten unseres Ego deutlich klargemacht wird, können wir es nicht erkennen.
Dies ist eine typische Verdrängung, und das Ergebnis von Verdrängung ist Projektion.
Ich setze die andere Person herab, weil sie von mir getrennt ist. Der Grund für meinen Ärger liegt nicht in mir, sondern in der anderen Person, denn sie ist getrennt von mir und hat daher nichts mit mir zu tun.
Manchmal geschieht es, daß Menschen schockiert sind über das, was ihr Ego denkt
oder wie es handelt. Sie sagen: "Ich kann nicht glauben, daß ich so etwas denke!". Vielleicht wünschen wir einem anderen Schlechtes oder gar den Tod, obwohl wir
überzeugt sind, daß wir doch ein sanftmütiger und liebender Mensch sind. Unser Selbstbild paßt nicht zu den Gedanken, die uns im Kopf herumgehen. Unsere
Handlungen stimmen vielleicht nicht mit dem überein, was wir tun "sollten". Diese Überraschung, das Ego bei seinem Wirken zu erleben, ist das beste Beispiel für unsere
Verdrängung. Der Mörder war immer da, wir haben ihn nur aus unserem Gesichtsfeld verdrängt.
Einige Menschen gehen sogar so weit zu glauben, sie hätten ihr Ego überwunden oder
haben keines mehr. Das untrügliche Zeichen, daß dem nicht so ist, ist die Tatsache, daß sie jedem davon erzählen müssen oder stolz darauf sind. Das Ego läßt sich nicht
über Nacht überwinden, indem wir sagen, daß es verschwinden soll. Eine der bevorzugten Verteidigungswaffen des Ego ist die Vorspiegelung, es sei nicht mehr da.
Wenn wir verleugnen, daß das Ego oder seine Aktivitäten da sind, glauben wir, daß wir es loswerden. Niemand kann vor seinen Illusionen entfliehen, wenn er sie nicht ansieht
und betrachtet, wie das Ego sich schützt. Ein paradoxes Zeichen des Fortschritts ist gegeben, wenn wir unserer "bösen", mörderischen, agressiven Gedanken bewußt
werden, Gedanken, die wir vorher nicht wahrhaben wollten. Das Ego versucht natürlich, dies zu verhindern oder uns klarzumachen, daß dies gefählich ist, uns
verletzten wird oder völlig nutzlos ist. Das Ego war immer schon da, jetzt wird es hervorgeholt. Dies ist gut, nicht schlecht. Wie willst du dem Ego entkommen, wenn du es nicht kennst?
Das Ego ausleben lassen
Der nächste falsche Weg ist das genaue Gegenteil des ersten. Fühlen wir uns ärgerlich
über jemanden, lassen wir dieses Gefühl einfach heraus. Wir geraten in Rage, schreien die Person an oder greifen sie an. Oder wir greifen zu Ersatzhandlungen und lassen
unsere Wut an Gegenständen aus. Dies klärt die Atmosphäre.
Der Nutzen dieser Handlungsweise liegt darin, daß dies ein ausgezeichneter Ausbruch
aus der Verdrängung ist. Es befriedigt das Ego und beruhigt die Gefühle, so daß wir in Ruhe weiterarbeiten können. Außerdem machen wir uns frei von unserer Angst und unseren Schuldgefühlen dem Ego gegenüber.
Nach Jahren der Unterdrückung und der Verdrängung kann es gut und notwendig sein,
der Reaktionen des Ego, die wir versteckt und verdrängt haben, bewußt zu werden. Allerdings löst es nicht unser Problem. Es ist tatsächlich nur ein Weg, das Problem
bewußt zu machen. Wenn wir damit den Druck ablassen können, um zu einer ruhigeren Betrachtungsweise zu kommen, ist es eine Vorbereitung zur Selbstheilung. Mehr aber
nicht. Es ermöglicht uns, unsere Gefühle ohne Angst und Schuld zu betrachten und uns für unsere eigenen Gefühle verantwortlich zu fühlen. Es ist eine Vorbereitung,
unser Ego zu betrachten und es zur Vergebung zu bringen.
Wir fühlen uns nach einem solchen Angriff besser. Es ist das "gute" Gefühl des
Eroberers, das "gute" Gefühl von jemanden, der dem Feind einen entscheidenden Schlag versetzt hat. Aber es ist ein Angriff, und damit eine der Kernaktivitäten des Ego.
Das Ego korrigieren oder verbessern
Wenn wir also die Existenz des Egos nicht verleugnen können und das Ausleben des
Ego nichts zum Guten ändert, können wir es vielleicht korrigieren und verbessern. Wenn wir unseren Ärger nicht loswerden, können wir ihn vielleicht zurückhalten und
nicht darauf reagieren. Wir nennen dies Zivilisation, wir versuchen uns so zu verhalten, wie wir uns verhalten sollten, ohne es eigentlich zu wollen. Wenn wir also glauben, daß
Agression nicht zu rechtfertigen ist, entscheiden wir, nicht agressiv zu sein. So versuchen wir zu handeln, als wenn wir nicht agressiv sind, selbst wenn wir es sind.
Das einzige Resultat dieser Verhaltensweise ist Stress. Du tust, was du eigentlich
nicht tun willst (nett sein) und nicht das, was du tun willst (den anderen verletzen oder gar töten). Diese Zwiespältigkeit produziert weiteren Ärger und führt unweigerlich
zu Projektionen. Es handelt sich also nur um eine zusätzliche Form der Verdrängung! Es ist keine völlige Verdrängung, da du dir deines Ärgers und deiner Agression bewußt
bist, aber es ist eine Verdrängung auf der Verhaltensebene, ohne die Emotionen zu berühren. Dies ist die Art der Verdrängung, die plötzlich in Gewalttätigkeit explodieren
kann, wenn die Gefühle lange genug zurückgehalten wurden.
Es ist einfach nicht möglich, das Ego zu korrigieren oder zu verbessern. Das Ego
vergibt nicht und wird immer angreifen. Es wird immer versuchen, Vorteile auf Kosten anderer zu erlangen. Es wird immer Schuld in dir und in anderen erzeugen. Das Ego ist und bleibt, was es ist.
Wenn du es nicht ändern kannst, was kannst du dann tun? An dieser Stelle fühlen
viele von uns ein Gefühl der tiefen Hoffnungslosigkeit. Nach monatelangen oder jahrelangen Versuchen, das Ego zu ändern, zu zivilisieren, uns selbst zu schulen finden
wir heraus, daß sich nichts geändert hat. Alle Eindämmversuche zeigen nur, daß das Ego immer eine Lücke findet und das mühsam aufgebaute Selbstbild zerstört. Es
scheint, als sei es nicht aufzuhalten und wir fühlen uns als totale Versager.
Ohne es zu merken, haben wir uns immer noch mit dem Ego identifiziert. Das Ego hat
keine Macht, wenn wir sie ihm nicht geben. Der einzige Grund, warum das Ego immer noch aktiv ist, ist die Tatsache, daß wir das wollen und dem Ego die Macht dazu
geben. Es ist nur eine andere Form der Verdrängung, wenn wir sagen: "Ich kann mir nicht helfen, ich bin ein Opfer meines Egos!"
Das Ego bekämpfen
Eine Erweiterung des eben beschriebenen Fehlers, das Ego verbessern zu wollen, ist
der Versuch, es zu bekämpfen und zu vernichten. Wenn wir es nicht ändern können, töten wir es eben. Dies ist eine Form des Angriffs, und der funktioniert nicht!
Wir finden dies in extremen Formen der Spiritualität. Früher verbrachten Mönche
täglich Stunden damit, sich selbst zu geißeln, um den Teufel und alle Fleischeslust auszutreiben. In der modernen Form des Christentums gibt es die Geißel nicht mehr,
aber wir reden immer noch über den Krieg zwischen Geist und Fleisch, der Notwendigkeit, die Bedürfnisse des Fleisches zu bekämpfen, um das Selbst zu heiligen und der Welt zu entsagen.
In New-Age-Kreisen ist dieser Kampf vielfach zu einem Untergrundkampf geworden, in
Form einer exzessiven spirituellen Suche, der intensiven Teilnahme an immer neuen Workshops, dem Springen von einem neuen Buch zum nächsten, dem Wechsel von
einem Guru zum nächsten. Wir haben zwar die Kriegsterminologie abgelegt, aber unsere Suche spielt sich ab im Umfeld von Kampf und Frustation.
Eine Form der Egobekämpfung ist extreme Selbstdisziplin, der Versuch, mit Gewalt
spirituell zu werden. Vielleicht sind wir nicht sicher, ob wir unsere Lektionen, Meditationen, Gebete richtig oder oft genug machen. Wir könnten den Versuch
unternehmen, öfter, regelmäßiger oder länger zu meditieren. Wir strengen uns vielleicht mehr an, um den Durchbruch zu schaffen. Und alle Bemühungen sind
umschattet von einer dunklen Wolke der Schuld, nicht genug zu tun, nicht gut genug zu sein, nicht schneller Fortschritte zu machen.
Natürlich sollen wir regelmäßig üben, uns täglich bemühen und unser Ziel nicht aus den
Augen verlieren. Disziplin ist notwendig, aber:
"Wenn der Widerstand groß und der Wille schwach ist, bist du noch nicht so
weit. Bekämpfe dich nicht selbst." (Kurs in Wundern)
Das Ego zu bekämpfen macht es nur stärker. Der Versuch, spirituelle Größe zu
erzwingen, ist kontraproduktiv. Inneren Frieden erlangt man nicht durch Zwang, sondern durch stilles Eintauchen.
Oft sieht es so aus, als wären dort zwei gegensätzliche Persönlichkeiten in einem
tödlichen Kampf, Gut und Böse, Liebe und Haß, Geist und Fleisch. Durch dieses Bild von uns selbst fühlen wir uns in einem ständigen Konflikt. Unser wahres SELBST kann
nicht geteilt werden! Das Bild vom geteilten Selbst ist nichts anderes als das Ego. Illusion steht in Konflikt mit der Wahrheit, aber die Wahrheit steht mit nichts in Konflikt, sie ist einfach.
Es gibt keinen Grund, das Ego zu bekämpfen. Wenn du das Ego nicht unterstützt, wird
es still verschwinden, es hat keine Existenz aus sich selbst. Es bekämpfen heißt, es unterstützen. Immer wenn wir uns im Konflikt mit unserem Ego fühlen, handelt es sich
um nichts anderes als um zwei Illusionen, die miteinander kämpfen, um verschiedene Aspekte des Ego im Krieg miteinander. Wir befinden uns vollständig im Umfeld des Ego.
Das SELBST oder der Geist hat keinen Grund, zu kämpfen oder sich zu verteidigen. Die Stimme Gottes ist eine leise Stimme des Friedens. Wenn wir das Ego nicht bekämpfen, kann es uns nicht aufhalten.
Das Ego lieben
Ein sehr moderner Ansatz zur Behandlung des Ego, speziell in New-Age-Kreisen, ist es,
das Ego zu lieben. Bei diesem Ansatz wird das Ego mit unserem verwundeten und verwirrten inneren Kind verwechselt, das gehalten und geliebt werden muß. Es spricht
absolut nichts gegen die Arbeit mit unserem inneren Kind. Es ist jedoch nicht das Ego. Das Ego ist nicht unser Freund, es betrachtet unser eigentliches SELBST als Feind. Es
ist nicht verletzt, sondern wahnsinnig und krank, ein nicht kontrollierbarer Mörder. Der Schlüssel zur Behandlung des Ego ist, es nicht zu verurteilen. Aber Toleranz gegenüber
dem Denksystem und dem Verhalten des Egos ist nicht angemessen.
Um mit dem Ego richtig umzugehen, müssen wir unsere Identifikation mit ihm aufgeben.
Wir sind es, die die Gedanken des Ego denken, aber wir sind nicht das Ego. Wir müssen uns weigern, das Ego als Teil unserer Identität anzuerkennen. Unsere Identität ist
Liebe, nicht Angst und Haß. Wir schauen auf den Ärger, die Angst und den Haß des Ego und sagen: "Das ist nicht erforderlich.". Unser Gefühl dabei ist nicht Haß, aber
auch nicht Liebe, es ist neutral. Wir beurteilen die Aktivitäten des Ego weder als gut noch schlecht, als angsterregend oder sündig oder gefährlich. Wir sehen vielmehr, daß das Ego einfach bedeutungslos ist.
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