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An acht Abenden in 1996 trafen sich fünf bis sechs Leute in Meckenheim zu einem "Offenen Kreis" mit dem Thema "WELT-BILDER
- Ich springe aus den Schubladen und greife nach einem Stück Himmel". Der jüngste Teilnehmer war 20, der älteste 70 Jahre alt. Es war ein Gesprächskreis, der mit Texten und Kommentaren u.a. aus "Ein Kurs
in Wundern" eingeleitet wurde. Die Gespräche entwickelten sich anschließend von selbst. Für den letzten Abend sollte jeder Teilnehmer einen eigenen Text schreiben, der sozusagen die Zusammenfassung der
vergangenen 16 Wochen darlegen sollte. Einer dieser Texte war der folgende:
WELT - BILDER
Ich springe aus den Schubladen und greife nach einem Stück Himmel
Nimm einem Kind die Schere weg, mit der es gerade es gerade spielt, damit es sich
nicht verletzt, und es wird schreien vor Wut. Zeige jemandem seine Schublade, damit er daraus springen kann, und er wird sie mit Händen und Füßen verteidigen. In dieser
Beziehung sind wir alle Kinder. Sage jemandem, daß die Schublade, die er bei anderen sieht, seine eigene ist, für die er nur die Verantwortung nicht übernehmen will und sie
deshalb auf andere projiziert, und das wütende Kind tritt deutlich zutage.
Mit meinen Schubladen kann ich mich nur auseinandersetzen, wenn ich sie
kennenlerne. Und wenn ich sie dann kenne? Es ist erstaunlich festzustellen, wie schwierig es ist, eigene Schubladen erst einmal als solche zu akzeptieren. Die Art und
Anzahl der Verdrängungsmechanismen sind so vielfältig wie subtil, mitunter auch offensichtlich, aber immer nur unter teilweise erheblichen Widerständen "anschaubar".
Solange ich meine Schubladen mit Gefühlen der Angst, Schuld, des Ärgers oder der Verzweiflung betrachte, lasse ich nicht los.
Solange ich von Loslassen rede und die Finger dabei verkrampfe, ändert sich nichts.
Solange ich die Dunkelheit analysiere, um das Licht zu finden, bleibt es dunkel.
Und wenn das Licht in weiter Ferne vermutet wird, und ich es für notwendig halte,
erst einmal einen weiten (Entwicklungs-)weg zurücklegen zu müssen, irre ich nur in meiner Schublade umher.
Solange ich glaube, etwas tun zu müssen, um nach einem Stück Himmel greifen zu
können oder dürfen, läuft das Laufrad schneller und schneller, aber Laufräder haben bekanntlich die Eigenschaft, sich um keinen Millimeter in irgend eine Richtung zu bewegen.
Was kann ich also tun? Nichts! Bekämpfe ich meine Schubladen, gebe ich ihnen damit
einen Wert, der nicht existiert. Und was für mich wertvoll ist, lasse ich nicht los. Lasse ich sie los, bekämpfe ich sie nur auf subtilere Art.
Ich kann sie aber sehen und zu dem Schluß kommen, daß sie eigentlich keinen Wert
haben. Ich kann EINEN, DER weiß, was ich bin, bitten, mir zu zeigen, daß diese selbstgewählten Schubladen nicht das sind, was ich wirklich will. Ich kann Vertrauen
entwickeln, daß DER, DER meine Quelle und mein Ursprung ist, nicht der Konstrukteur meiner Schubladen ist. Denn kann ein gütiger GOTT wirklich meine Verzweiflung wollen?
Ich kann zumindest entscheiden, daß ich die Schublade, die ich gerade sehe, nicht
mag. Ich kann dann die Hoffnung zum Ausdruck bringen, daß ich mich offenbar in Bezug auf das, was ich glaube zu sein, irre. Und dann kann ich aus dem Herzen heraus
sagen: "Ich will diese Schublade nicht, laß mich diese Situation anders sehen. Hilf mir!". Ich kann bitten. Und warten. Das Ergebnis muß gewiß sein, da ich mich nur im
Irrtum befinde. Und da ER keine Irrtümer kennt, können sie nicht ewig existieren. Denn was ER nicht kennt, kann überhaupt nicht existieren.
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